Die höchste Liga der Verhandlungsführung
Worum verhandeln wir? Auf wie vielen Ebenen findet eine Verhandlung statt?
Zunächst einmal sind da die Positionen. Eines der trivialsten Beispiele für eine Position ist der Preis. Die Position kann aber auch aus gesetzlichen Rahmenbedingungen bestehen, die man ändern möchte, dem Wunschgehalt, das anvisiert wurde, oder dem Urlaubsziel, das es dem Partner oder der Partnerin gegenüber durchzusetzen gilt. Hinter den Positionen liegen die Interessen und Ängste der Beteiligten. Das Interesse, ein Geschäft zu erweitern, den nächsten Urlaub zu finanzieren, mit Statusobjekten die Anerkennung anderer zu erlangen, oder die Angst, den Job oder die Reputation zu verlieren, Existenzverlustängste. Die Verhandlungswelt ist vielfältig, wenn es um Positionen, Interessen und Ängste geht. Eine Liste, die diese alle enthält, wäre gewiss endlos.
Ist das aber alles, worum wir verhandeln? Sicher nicht. Denn wir verhandeln nicht nur um eine Sache, sondern immer auch um die Beziehung. Die Beziehung zum Verhandlungspartner.
Nun könnte man meinen, die Liste mit den Ebenen und Aspekten, die für das Tauziehen bei einer Verhandlung von Bedeutung sind, wäre somit komplett. Es gibt aber ein weiteres Feld, eine weitere Ebene, die die Verhandlung beeinflusst und zugleich fast unsichtbar ist. Die Ebene der Werte. Hierbei sind die Werte gemeint, die wir aus moralischen, kulturellen oder ideologischen Gründen für erstrebenswert halten. Die Haltung, die wir zu diesen Werten haben, ist uns allerdings nicht immer bewusst. Viele Werte aus den erwähnten Bereichen beeinflussen uns auf der unbewussten Ebene und sind somit unsichtbar.
Am intensivsten ist das Tauziehen um die genannten Werte auf der politischen Ebene. Wessen Werte sind anzustreben? Wessen Werte haben Vorrang vor anderen? Wessen Wertvorstellungen bilden die Leitspitze der politisch-gesellschaftlichen Entwicklung? Wer diese Werte bestimmt, ist stets führend auf der politischen Bühne und darüber hinaus. Dies ist die höchste Liga der Verhandlungsführung. Es gibt kaum eine subtilere Art der Beeinflussung und Lenkung von Entscheidungen. Subtil und dennoch höchst wirksam.
Wenn die Wertvorstellungen einer Person beeinflusst werden, trifft sie Entscheidungen, die die lenkende Instanz sich wünscht. Dessen ist sich die Person aber oft nicht bewusst. Sie ist zufrieden und glaubt, das Richtige getan zu haben. Es findet kein Kampf mehr statt. Da der eigentliche Kampf schon längst ausgefochten und entschieden wurde. Als die Werte der Person manipuliert wurden.
Auf der politischen Ebene kann dies die unausgesprochene Zustimmung eines Volkes zum Einmarsch in ein anderes Land bedeuten. Dort, wo Gut und Böse vorab definiert und entsprechend positioniert worden sind, glaubt das Volk, mit dem Vorhaben im Recht zu sein. „Wir sind die Guten“, glaubt man.
Auch auf der wirtschaftlichen Ebene wird das Instrument der Wertebeeinflussung eingesetzt. Das stärkste Tauziehen findet dabei in der Regel zwischen Arbeitgebern und Gewerkschaften statt. Aber darüber hinaus ist der Kampf um die Werte Teil jeder Unterhandlung zwischen Individuen, Verhandlern. Sei es der Kampf zwischen den Eltern und dem pubertierenden Jugendlichen, der die „alten“ Werte seiner Bezugspersonen infrage stellt, oder das Gerangel zwischen einem Vorstandsmitglied und seinem Bereichsleiter, bei dem die Unternehmensstrategie in Zweifel gezogen wird. Auch hierbei wird stets derjenige gewinnen, der die Wertvorstellungen des anderen am besten beeinflussen kann. Er gewinnt meist ohne Gegenwehr.
Menschen glauben Falsches zu tun, wenn sie gegen Werte verstoßen, die sie einmal als richtig und geltend angenommen haben, seien diese auch die Wertvorstellungen eines anderen, der ihnen diese geschickt injiziert hat. Welch eine bequeme Art, für einen Konflikt eine Lösung zu finden.
Auf dem politischen Parkett findet die Beeinflussung über die Frequenz und Intensität der Nachrichtenvermittlung statt. Hierbei werden vorrangig die Medien eingesetzt. Zwischen Individuen sieht es etwas anders aus. Dort wird derjenige sein Wertsystem oder einen Teil davon auf den anderen übertragen, der in der Rangordnung weiter oben steht und vor allem auch so empfunden wird. Hiermit ist die tatsächliche Rangordnungsbildung zwischen Personen gemeint und nicht die organisatorisch zugewiesene Position.
Die höchste Liga der Verhandlungsführung. Ihre Bedeutung und Regeln sollte jeder gute Verhandler beherrschen und einsetzen.
- Berücksichtige die Ebene des Wertesystems bei Verhandlungen.
- Positioniere dich in der Rangordnung mindestens auf Augenhöhe mit dem Verhandlungspartner.
- Verwende die Informationsmedien bei einer Verhandlung mit der Masse.
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